Macht bessere Ausrüstung Sie zum besseren Fotografen? JA!

… aber vielleicht anders, als Sie denken. Ich gebe es zu: Die Überschrift habe ich auch wegen meiner Lust am Widerspruch gewählt, wenn alle Welt allzu einhellig predigt. Nun sollte man aber nicht allein um des Widerspruches willen widersprechen, und tatsächlich hat die Überschrift mehr Berechtigung, als uns angesichts der vielen und einleuchtenden Predigten scheinen mag.

Ich habe schon öfter festgestellt, dass uns die Foto-Gurus immer Wasser predigen, während sie selbst Wein trinken. Man müsse sich, erklären sie uns, erst am Wasser abarbeiten, um des Weines würdig zu werden. Das ist nicht ganz falsch, aber bei den allermeisten dieser Prediger zweifle ich trotzdem, dass sie sich beim eigenen Werdegang an diese Weisheit hielten. Vielmehr würde ich bereitwillig darauf wetten, dass sie sich teure Geräte angeschafft haben, bevor sie wirklich „ihrer würdig“ waren, und bei manchen darf man zweifeln, ob sie es je wurden.

Doch fangen wir, um das zu beleuchten, an anderer Stelle an: Man sollte nicht damit angeben, drei Steinways zu Hause stehen zu haben, wenn man nur den „Lustigen Landmann“ spielen kann. Wirkliche Pianisten kommen selten auf die merkwürdige Idee, mit ihrem Werkzeug zu prahlen.

Anders scheint das nur in Fotoforen zu sein. Wahrscheinlich besuchen Sie hin und wieder auch ein solches. Ich habe das früher häufiger getan, inzwischen schaue ich sehr selten vorbei, nämlich wenn sich eine sehr spezifische Frage mit Googles Hilfe allein nicht beantworten lässt. Ein Großteil der Forenteilnehmer dürfte von diesem Fragertyp sein, von denen jeder Einzelne nur gelegentlich auftritt.

Der Rest sind die Ratgeber. Oft gehören sie zu den Administratoren. Sie verfügen auch häufig über vertieftes technisches Wissen, und man sollte ihnen dankbar sein, dass sie andere daran teilhaben lassen.

keepitsimple

Einfach halten

Manchen scheint allerdings weniger das Helfen ein Anliegen zu sein als die Demonstration von Überlegenheit. Dieser Subtyp drängt sich oft in Unterhaltungen, zu denen er eigentlich nichts Neues beitragen kann, außer die Ahnungslosigkeit des Fragers festzustellen. Nicht selten pflegt dieser Typ unter seinen Stellungnahmen seine gesamte Ausrüstung aufzuführen. Das schüchterte mich früher etwas ein, als ich selbst nur eine Kamera und ein Objektiv besaß, aber trotzdem fand ich es auch damals schon unpassend, ja peinlich. Heute finde ich es nur noch peinlich.

Mittlerweile besitze ich viele, fast zu viele Objektive (mehr als so mancher, der damit hausieren geht, und bei einigen bin ich froh, wenn meine Frau nicht nach dem Preis fragt). Über die Jahre habe ich eine beträchtliche Anzahl auch wieder verkauft. Man lernt mit jedem dazu. Das Fotografieren mit lichtstarken Objektiven etwa ist eine Sache für sich. Sie sind teuer, groß und schwer. Gewicht und Größe schränken die fotografischen Möglichkeiten ein. Auf der anderen Seite erweitern Sie durch ihre weite Öffnung diese Möglichkeiten, sodass viele das Teure und Schwere in Kauf nehmen, doch man prahlt besser nicht damit. Was den Umfang der Ausrüstung mit der Zeit auch bedeutend steigert, ist ein vielseitiges fotografisches Interesse.

Wenn wir nun zu den anfangs erwähnten Predigten zurückkehren, es käme nicht auf Qualität und Umfang der Ausrüstung an, so weckt das schon beim Anfänger Argwohn, den ein Blick in die Fototaschen der Prediger untermauert. Ich habe heute keinen Zweifel: Eine umfangreiche und gute Ausrüstung ist eine schöne, sehr hilfreiche Sache; ich möchte augenblicklich keines meiner vielen Objektive missen. Tatsächlich verstaubt auch keines im Regal. Dennoch kann ich mir vorstellen, meinen Objektivpark mit der Zeit wieder auf einen essentiellen Kern einzudampfen, denn ankommen im Wortsinne tut es auf eine umfangreiche Ausrüstung tatsächlich in den wenigsten Fällen. Allerdings sind diese wenigen Fälle häufig die interessantesten, wenn es auch durchaus nicht immer Objektive sind, die neue Möglichkeiten eröffnen. Aber wie dem auch sei: Sollte ich mich weiser Beschränkung befleißigen, so ist sie nicht mit den Predigten über mich gekommen, sondern mit Erfahrung, und zwar eigener, kostspieliger. Man weiß erst, was genug ist, wenn man auch weiß, was mehr als genug ist, lautet ein treffender Spruch.

Darum: Raten Sie einem Fotoanfänger nicht von den teuren Apparaten ab, mit denen er liebäugelt, und raten Sie ihm auch nicht, stattdessen seine Fähigkeiten zu schulen, denn das werde ihn weiter voranbringen. So raten die Experten des Internets alle, und ich gestehe, lange Zeit auch derart geraten zu haben. Heute weiß ich: Der Anfänger glaubt Ihnen, erstens, sowieso nicht und wird – genau wie die vielen Experten, Sie und ich – erst durch eigene Erfahrung klug. Was man mit eigenen Augen gesehen und mit eigener Seele erlitten hat, macht einen viel klüger als die Befolgung eines Rates, an dem man heimlich doch immer zweifelt. Probieren geht eben über Studieren. Zweitens müsste die Fotoindustrie, wäre es anders, viel höhere Preise verlangen. Wie ich andernorts schrieb: Von weiser Kundschaft kann kein Gewerbe leben. Das gilt auch für die Hersteller von Tennisschlägern, Ballettschuhen und Klavieren, und meine Ansicht, dass Pianisten selten mit ihrem Werkzeug prahlen, muss dem nicht widersprechen.

Ich bin kein fotografischer Horowitz, aber vielleicht doch über den „Lustigen Landmann“ hinausgekommen: Und selbst, wenn nicht: In keinem Fall käme ich auf die Idee, mit meiner Ausrüstung zu protzen. Wenn Sie mich nach ihr fragten, würde ich knapp und zurückhaltend antworten. Erstens will ich Sie gar nicht auf den Gedanken bringen, die Güte meiner Werke könne an etwas anderem als meinem Können liegen, selbst wenn er nicht immer falsch wäre. Zweitens wäre es mir äußerst peinlich, sollte die Qualität meines Spiels weit hinter der meiner Steinways zurückbleiben.

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