Der persönliche Stil

„Finde deinen eigenen Stil“, schallt es mir überall entgegen, wo Fotografen anderen erklären, wie man einer wird. Gerade auf YouTube – das liegt in der Natur der Sache – fühlt sich jeder zum Lehrer berufen; auch so mancher, der eher noch Schüler zu sein scheint.

Aber auch renommierte Meister des Fachs predigen, den „eigenen Stil“ zu finden. Mir fällt da immer jener Schriftsteller ein, dessen Name mir nicht mehr einfällt. Auf die Frage nach seinem persönlichen Stil soll er geantwortet haben, er wäre bestürzt, sollte er einen haben.

Natürlich: Auch dieser Blog ist eine Predigtanstalt. Allerdings liegt mir die geradezu drohende Selbstgewissheit moderner YouTuber („Don’t do THIS!“) fern. Mir ist genug zu zeigen, dass dieses passiert, wenn Sie dieses tun, und jenes, wenn Sie jenes tun. Was Sie dann tun, sollte Ihnen überlassen bleiben.

Wer war’s?

Vermutlich  haben viele der sehr guten Fotografen eine wiedererkennbare „Masche“, einen Stil. (Eine echte Masche ist leicht nachzuahmen, ein echter Stil nicht.) Es gibt aber eine ganze Reihe sehr guter Bilder, deren meisterlichen Schöpfer man nicht sofort entlarvt. Die Fotografen dahinter sind in den Medien nur weniger präsent. Es geht also auch ohne Stil.

Aber ich will Sie gar nicht vor einem Stil warnen. Mit der Zeit entwickelt fast jeder engagierte Fotograf von ganz allein eine Handschrift. Nur: Allzu eigenwillig und damit sofort erkennbar muss sie durchaus nicht sein. Warnen will ich nur davor, mit Gewalt einen Stil zu suchen, weil nur ein solcher den Erfolg verspreche. Diese Ansicht ist wahrscheinlich nicht mal falsch, wenn man Erfolg mit Bekanntheit gleichsetzt. Die gewaltsame Suche nach dem Stil wird dadurch jedoch nicht ratsamer, denn sie führt nur zur Masche, nicht zum Stil.

Wenn Sie Erfolg weniger mit Bekanntheit als mit fotografischer Meisterschaft gleichsetzen, ist die gewaltsame Suche nach einem Stil noch schädlicher. Meine Empfehlung: Suchen Sie nicht nach „Ihrem“ Stil, denn der kommt wie gesagt meist von ganz allein. Suchen Sie nach dem guten Bild. Und dann nach dem besseren. Suchen Sie sich weiterzuentwickeln.

Die Grundhaltung beständigen Lernens ist jedenfalls bester fotografischer Stil.

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